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Praxishandbuch Nutzpflanzenbestäubung: drei Steckbriefe

Saftige Äpfel, süße Kirschen und riesige Kürbisse sind nicht nur Lohn harter landwirtschaftlicher Arbeit, sondern auch das Werk von Wildbienen und anderen Insekten.
In «Praxishandbuch Nutzpflanzenbestäubung» erläutern Alexandra Maria Klein und Felix Fornoff, welche Bestäuber besonders wichtig sind und wie wir geeignete Lebensräume für sie schaffen können.

Mit der Bestäubung von Apfel, Kirsche und Co. leisten Insekten – von uns meist unbemerkt – einen wesentlichen Beitrag zur Lebensmittelversorgung. Das Insektensterben macht allerdings auch vor diesen Nützlingen nicht halt. Umso wichtiger ist es, die wesentlichen Zusammenhänge zwischen Nutzpflanzen und Bestäubern zu verstehen. Hier setzen die Autor:innen an und zeigen nicht nur den Wert von Wildbienen für die Ertragssteigerung durch verbesserte Bestäubung auf, sondern identifizieren auch die wichtigsten Arten für jede Nutzpflanze und legen dar, wie diese gefördert werden können. In den Nutzpflanzensteckbriefen können Interessierte nachlesen, wie stark ihr Gemüse oder Obst von der Insektenbestäubung profitiert. Darüber hinaus finden sie Informationen zu einer Auswahl wichtiger Nutzpflanzensorten und deren Befruchtersorten. Zudem erläutern Klein und Fornoff, wie attraktiv eine Nutzpflanze für Bienen ist und welche Arten diese besuchen. In den Bienensteckbriefen beschreiben sie die Ökologie und Lebenszyklen der wichtigsten Bienengruppen. Und in den Maßnahmensteckbriefen präsentieren sie schließlich praxisnahe Vorschläge für den Obst- und Gartenbau zur Förderung dieser Bienengruppen.

Wir stellen Ihnen in diesem Beitrag exemplarisch je einen Steckbrief rund um die Blaubeere vor. Wenn Sie also schon immer einmal wissen wollten, welche Wildbienenarten wichtig für diese Pflanze sind und wie man diese fördern kann, dann lohnt es sich, jetzt weiterzulesen:

 

Klein, Alexandra-Maria; Fornoff, Felix
Praxishandbuch Nutzpflanzenbestäubung Buch

CHF 39.00 CHF 33.20*

STECKBRIEF BLAUBEERE

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Vaccinium corymbosum spp. L.
Heidekrautgewächse (Ericaceae)

Die Kulturform der Blaubeere kommt ursprünglich aus dem östlichen Nordamerika. Blaubeeren werden in Topfkultur und Gärten auf sandigen, sauren Böden und im kommerziellen Anbau vor allem in der Lüneburger Heide und Rheinebene angebaut. Das kreisförmige Phänogramm unten rechts zeigt die Blühmonate in rosa/rot und die Erntemonate in lila.

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Blüten: Die Blüten sind zwittrig und radiärsymmetrisch mit je 5 kurzen Kelchblättern und glockenförmig verwachsenen, grün-weiß bis pinkgefärbten Kronblättern.
weiblich = 5 verwachsene Fruchtblätter mit einemlangen Griffel, der aus der Blütenhülle ragt.
männlich = 5 in den Kronblättern verborgene Staubblätter mit langen, orangen Staubbeuteln.

Befruchtungssystem: Selbstbestäubung (Auto und Geitonogamie) kommt vor, aber hauptsächlich Kreuzbestäubung (Xenogamie).

Befruchtungsansprüche: Erschütterung der Blüte, vor allem durch Insekten und Vibrationsbestäubung, führt zum Übertragen des Pollens auf die Narbe. Kreuzbestäubung verdoppelt den Fruchtansatz gegenüber einer Selbstbestäubung.

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Optimale Bestäubung: Durch Bienenausschluss verringert sich der Fruchtertrag um 80 %. Bei schlechtem Wetter sind Hummeln die Hauptbestäuber und verdoppeln den Fruchtansatz. Wildbienen übertragen pro Blütenbesuch mehr Pollen als Honigbienen. Trotz ihrer geringen Häufigkeit führt die Bestäubung durch Hummeln zu ähnlich hohen Erträgen wie durch die in der Kultur aufgestellten Honigbienenvölker. In Nordamerika werden 6–12 Bienenvölker pro ha Blaubeeren als ausreichend für hohe Erträge erachtet. Angaben für Deutschland haben wir nicht gefunden. Der Bestäubungserfolg und die Attraktivität der Blüten sind sortenabhängig. Das Zusammenpflanzen von verschiedenen Sorten erhöht die Kreuzbestäubung und verlängert den Erntezeitraum. Die einheimische, wildwachsende und in sauren Wäldern und Moorgebieten
vorkommende Art V. myrtillus bietet in lichten Wäldern eine wichtige Nahrungsressource für waldbewohnende Wildbienen.

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Häufigste bestäubende Bienenarten: Andrena lapponica (Heidelbeer- Lockensandbiene), Bombus hortorum (Gartenhummel), Bombus hypnorum (Baumhummel), Bombus lapidarius (Steinhummel), Bombus pratorum (Wiesenhummel), Bombus sylvarum (Bunte Hummel), Halictus rubicundus (Rotbeinige Furchenbiene), Xylocopa violacea (Blauschwarze Holzbiene).

 

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Blauschwarze Holzbiene
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Bunte Hummel

Die Maßnahmen für Wildbienen-Nahrung:

  • Hecken, Feldgehölze und Streuobstbäume pflanzen – als Nahrungsquelle und Nistplatz
  • Mosaiknutzung von Kleegras und Grünland
  • Schutzstreifen im Umfeld von Gewässern
  • Alt- und Totbäume als Nistplätze stehen lassen
  • Liegendes Totholz stehen lassen.

Alle diese Maßnahmen und noch viele mehr sind im Buch mit Steckbriefen genauer beschrieben. In diesem Beitrag stellen wir Ihnen weiter unten die Maßnahme «Mosaiknutzung von Kleegras und Grünland» vor.

Doch nun widmen wir uns dem Steckbrief der Hummeln, da wir ohne sie im Sommer wohl kaum in den Genuss von Blaubeeren kommen würden:

 

STECKBRIEF HUMMELN

Unter den weltweit ca. 20.000 Wildbienenarten finden wir 250 Hummelarten, davon kommen heute mindestens 40 Arten in Deutschland vor, auch wenn insgesamt 53Arten nach den Hummelexperten Eberhard von Hagen und Ambros Aichhorn in Deutschland schon nachgewiesen wurden. Aktuell stehen 16 Hummelarten auf der Roten Liste.

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[…]

Hummeln spielen eine einzigartige und außerordentliche Rolle in der Bestäubung von landwirtschaftlichen Kulturen. Nach unseren Beobachtungen können die Dunkle und die Helle Erdhummel (Bombus terrestris und B. lucorum) alle in diesem Buch vorgestellten Nutzpflanzen bestäuben; B. terrestris ist mit Abstand die häufigste Hummel Bestäuberart in der Landwirtschaft . Auch andere kurzrüsselige Hummeln finden wir an den Blüten von Nutzpflanzen. Die Heide-Erdhummel (Bombus cryptarum) ist zwar sehr selten, sie ist in manchen Regionen dennoch eine regelmäßige Bestäuberin von Blaubeeren. Die Nordische Hummel (Bombus monticula) ist nur in den Alpen präsent und dort ein wichtiger Bestäuber. Gartenhummeln (Bombus pratorum) haben einen noch längeren Rüssel als Ackerhummeln (Bombus pascuorum) und sind deshalb für die Schmetterlingsblütengewächse optimale Bestäuber.

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Ackerhummel
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Dunkle Erdhummel

Jetzt, wo wir die Hummeln etwas besser kennengelernt haben, ist es an der Zeit eine Förder- oder Schutzmaßnahme vorzustellen:

 

STECKBRIEF MOSAIKNUTZUNG IM KLEEGRAS UND GRÜNLAND

Als Mosaiknutzung wird die abschnittsweise Mahd innerhalb einer Fläche bezeichnet.

Diese Bienen profitieren: Hummeln, Mauer- und Blattschneiderbienen, Sandbienen
Diese weiteren Tiere und Pflanzen profitieren: Insekten, Niederwild
Besonders hohes Potenzial: Im Grünland, in Obstanlagen
Aktiv werden: 

  • Flächen in Abschnitte unterteilen, diese mit
    mindestens 3 Wochen Versatz innerhalb
    jeder Mähperiode mähen
  • Unterschiedliche Mahdhäufigkeit auf die
    Abschnitte anwenden
  • Altgrasstreifen ohne jegliche Mahd für ein
    Jahr stehen lassen, diesen im darauffolgenden
    Jahr gegebenenfalls verlegen

Wirkung auf Wildbienen: Durch versetzte Mahd entstehen verschiedene Altersklassen in der Vegetation, wodurch das Blütenangebot zeitlich verlängert wird. Unterschiedliche Mahdhäufigkeiten führen zu unterschiedlichen Blütenzusammensetzungen. Völlig ungemähte Altgrasstreifen weisen zusätzlich eine andere Pflanzengemeinschaft auf und dienen als Rückzugsräume für Insekten zu jeder Jahreszeit.

Zusatzinformation: Kleegrasmischungen vor allem mit Rotklee (Trifolium pratense), Luzerne (Medicago sativa) oder dem Gewöhnlichen Hornklee (Lotus corniculatus) bieten besonders langrüsseligen und an Schmetterlingsblütengewächse angepassten Bienenarten wie vielen Hummeln (Gattung Bombus) und Blattschneiderbienen (Gattung Megachile) eine gute Nahrungsgrundlage. Um sie maximal zu nutzen, sollten die Blühphasen möglichst lange ungemäht bleiben.

 

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Bei hoher Blütendichte helfen selbst sehr schmale ungemähte Streifen, die Nahrungslücke zu überbrücken.
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Die Mai-Langhornbiene (Eucera nigrescens) profitiert von Kleegras mit Rotklee (Trifolium pratensis).

Text: adaptiert und gekürzt aus: «Praxishandbuch Nutzpflanzenbestäubung»
Fotos: Felix Fornoff


Alexandra-Maria Klein ist Professorin an der Universität Freiburg. Sie promovierte über die Bestäubung von Kaffee, schrieb die weltweit wichtigste Übersichtsstudie zur Nutzpflanzenbestäubung und ist Autorin des Bestäuberberichts des Weltbiodiversitätsrats.

Felix Fornoff erforscht an der Universität Freiburg den Schutz von Wildbienen in Agrarlandschaften. In diesem Buch vereint er seine Leidenschaft der Wildbienenforschung und der Makrofotografie.

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