
An wilden Wassern und stillen Ufern: Die Aare bei Belp
Der neueste Haupt Wanderführer «An wilden Wassern und stillen Ufern» widmet sich, wie all unsere Wanderführer, Besonderheiten, die man am Wegesrand entdecken kann. Die Natur zu erkunden ist für den Autor Eric A. Soder der wichtigste Antrieb zum Wandern. Daran lässt er uns auf 30 Touren durch verschiedenste Auenlandschaften der Schweiz teilhaben.
Die Wanderung, die wir Ihnen hier vorstellen, folgt für uns ganz dem Motto: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Schöne so nah liegt. Wir sehen uns nämlich die Aare in der Region um Belp genauer an.
Zwischen Thun und Bern hat die Aare einen ähnlichen Charakter wie oberhalb des Wasserschlosses im Aargau: ein breiter Fluss mit wenig Gefälle und weitgehend begradigtem Verlauf zwischen Kulturland, Siedlungen und Autobahn.
Gleichwohl finden wir auch in der Nähe der Hauptstadt Gebiete mit Auencharakter, insbesondere einen rund zehn Kilometer langen Flussabschnitt von Münsingen bis Wabern. Trotz der Hochwasserdämme sind am Ufer noch einige naturnahe Reste der früheren Schwankungsbreite des Flussbettes erhalten. Darunter auch einige Giessen; das sind Grundwasserquellbäche oder Altarme, durch die klares, sauerstoffarmes Wasser langsam hindurchfließt und die deshalb noch nicht zu trüben Stehgewässern geworden sind, die in der Folge langsam verlanden. Im Bundesinventar ist das ganze Auen-Objekt mit 418 ha Fläche als «Belper Giessen» erfasst.
AARE BEI BELP
Infos
Start: Bushaltestelle Münsingen, Badi
Ziel: Bern Flughafen
Strecke: 8 km
Höhendifferenz: wenige Meter
Zeitbedarf: reine Marschzeit 2 Std.
Rast/Verpflegung: Restaurant Campagna, Belp (bei der Hunzigebrügg)
Jahreszeit: ganzjährig
Verkehrshinweis: Parkplätze bei der Badi
Varianten: Über eine der Brücken und am anderen Aareufer zurück zum Startpunkt; auf der linken Seite der Aare weiter bis Bern (z. B. zum Tierpark Dählhölzli); Abkürzung um ca. 1 km via Jägerheim; Abstecher zur Hunzigenau über die Hunzigebrügg und zurück (+ 3 km)
Schützefahrbrügg
Wir starten unsere Erkundung bei der Badi Münsingen und gehen über die Brücke ans linke Ufer der Aare. Dieser folgen wir flussabwärts auf dem Wanderweg direkt am Ufer, nicht auf dem breiteren Forstweg, der mitten durch den Wald führt.
Wald, Nebengerinne
Der Wald zu unserer Linken sieht abschnittsweise mal mehr, mal weniger bewirtschaftet aus. An den feuchteren Stellen, die etwas wilder aussehen, geht die Anmutung schon ein wenig in Richtung Auenwald. Je nach Jahreszeit trifft man im Unterholz auf einige typische Pflanzenarten, die mit einem feuchten bis nassen Boden klarkommen. Zum Beispiel Schachtelhalme, Seggen oder Bärlauch. Und natürlich Moose. An beiden Ufern der Aare befinden sich in Abständen zementierte oder mit Felsblöcken aufgeschichtete Vorsprünge, sogenannte Buhnen. Diese beeinflussen die Strömung und die Erosion der Flusssohle beziehungsweise die Ablagerung von Geschiebe. Seit der Umleitung der Kander in den Thunersee führt die Aare zu wenig Geschiebe mit und gräbt sich wegen der hohen Fliessgeschwindigkeit im kanalisierten Flussbett langsam tiefer in den Grund hinein. In den verbreiterten Bereichen im Auengebiet verlangsamt sich die Strömung, und dort wird nun eher Material abgelagert als weggespült. Zwischen dem Weg und der Aare sind ein paar unterschiedlich lange und tiefe Nebenarme angelegt. Einzelne können trocken fallen, andere führen praktisch immer Wasser. So finden viele Pflanzen-und Tierarten der Auen passende Lebensräume. Die Aare selbst darf mit Booten befahren werden, und die Strecke von Thun nach Bern ist sehr beliebt. An schönen Sommertagen herrscht oft viel Betrieb. Um die Tiere zu schonen, empfehlen Hinweistafeln, sich während der Setz- und Brutzeit vom 1. April bis zum 31. Juli nur tagsüber im Gebiet aufzuhalten und die Wege nicht zu verlassen. Außerdem gelten natürlich auch die üblichen Regeln im Naturschutzgebiet; untersagt sind unter anderem die Beeinträchtigung und Störung der Tier- und Pflanzenwelt, das unbeaufsichtigte Laufenlassen von Hunden, das Campieren und die Ruhestörung durch Lärm oder laute Musik. Das sollte für Naturfreunde ohnehin selbstverständlich sein.
Inseln, Hunzigebrügg
Vor der nächsten Brücke über die Aare, die nach Rubigen führt, kommt ein renaturierter Bereich. Hier trifft man im Fluss und am Ufer auf Kies- und Sandbänke. Sie sind je nach Alter und Hochwassereinfluss zum Teil bewachsen. Stellenweise erkennt man die Sukzession von Pionierpflanzen über Sträucher bis zu Baumbeständen. Linker Hand verbergen sich im Wald, mit einigem Abstand vom Weg, die Giessen. Dieser Bereich ist ein bedeutendes Amphibienlaichgebiet. Auf der anderen Seite der Aare befindet sich hinter der Autobahn die Hunzigenau mit ein paar Teichen. Sie liegen auf einer Art Lichtung, die von Bäumen und zur Aare hin von einem Waldstreifen gesäumt wird. Ein Weg führt ganz außen herum. Diese geschützte Lage dürfte das Gebiet unter anderem für Wasservögel interessant machen, vor allem, wenn an der Aare viel Erholungsbetrieb herrscht und sich Badende auf den Kiesbänken tummeln. Die hier vorgeschlagene Wanderroute berücksichtigt nur das linke Aareufer, das weiter vom Autobahnlärm entfernt ist; wer viel Zeit hat oder zur Abwechslung eine andere Variante kennenlernen möchte, für den könnte sich ein Abstecher über die Brücke mit einer kleinen Runde südlich von Hunziken lohnen. Der Kanton Bern erhielt 2009 für seinen Renaturierungsfonds den Schweizer Gewässerpreis, wobei speziell die Hunzigenau als Vorbild herausgestrichen wurde. Unter den Arten, denen die Renaturierung zugute kam, seien die Äsche, die Ringelnatter und der Kleinspecht erwähnt. Bei den Pflanzen ist es unter anderem der Schweizer Alant, ein 40–150 cm hohes Asterngewächs mit gelben Blüten. Der Bestand hier an der Aare ist eines der wenigen natürlich angestammten – also nicht angesiedelten – Vorkommen in der Schweiz.
Giesse
Nach der Hunzigebrügg geht es landschaftlich im etwas monotonen Stil eines über lange Strecken geraden Uferweges durch den Wald weiter. Spannender wird es jeweils dort, wo die Giessen bis nahe an den Damm und den Weg reichen. Diese Wasserflächen und ihre Ufer wirken optisch viel urtümlicher und wilder als die vom Damm begrenzte Aare. Wegen des Niveauunterschieds und der steilen Böschung erhält man auf dem Damm an einigen Stellen trotz des dichten Unterholzes Durchblick aufs Wasser. In den Giessen kann man den einen oder anderen Biberbau entdecken und mit viel Glück auch einen Bewohner.
Auguetbrügg
Wer es eilig hat, kann schon beim Jägerheim Richtung Belp abzweigen und an der Flugplatzstraße nach rechts zur Haltestelle Giessenbad gehen. Ein besseres «Schlussbouquet» führt weiter bis zur Auguetbrügg und dort links über eine Brücke mit freier Sicht in den Giessen, dann bis direkt vor den Flughafen.
Wir wünschen viel Spaß beim Wandern und Entdecken!
Text: adaptiert aus «An wilden Wassern und stillen Ufern»
Fotos: Eric A. Soder
Eric A. Soder arbeitet seit 1988 als freier Fotojournalist, Autor und Mediengestalter. Er ist dipl. Techniker HF Polygrafie, fotografiert vor allem Tiere/Natur.